Das Kino ist nie unpolitisch
Der Pride Month ist für viele Unternehmen Anlass, das eigene Logo in Regenbogenfarben zu tauchen. Auch bei den Kinos gibt es zahlreiche Beispiele dafür, wie Haltung und Kommunikation zusammenwirken. Und für manche Menschen in den sozialen Medien ist das Grund genug, in die Kommentarspalten zu springen und zu schreiben, dass „jetzt auch noch das Kino politisch wird“.
Wer Filme zeigt, entscheidet mit, welche Geschichten erzählt werden und wem zugehört wird. Die Preisgestaltung entscheidet darüber, wer Filmkultur genießen und sich das Ticket leisten kann. Kinos sind nie unpolitisch und daraus ergibt sich eine besondere Verantwortung.
Viele Kinos sind sehr aktiv und engagieren sich lokal, zeigen gesellschaftlich relevante Filme, kooperieren mit Initiativen oder schaffen Begegnungsräume. Auf Instagram und im Newsletter überwiegt oft der Gute-Laune-Content.
Wir möchten euch in diesem Beitrag Mut zur Kommunikation eurer Haltung machen.
Eine klare Haltung unterstützt das Marketing
Ob Klimakrise, Diversität oder Demokratie. Wir stehen täglich vor der Frage, ob (und wie) wir zu gesellschaftlichen Themen Stellung beziehen sollen. Auch für Kinos ist das keine theoretische Diskussion und es stellen sich diese Fragen: Müssen wir Haltung zeigen? Wollen wir? Was passiert, wenn jemand das kritisiert?
Eine klare Haltung hilft, sichtbar zu machen, wofür ein Kino steht und warum es für sein Publikum relevant ist. Jüngere Zielgruppen reagieren stark auf Werte, Glaubwürdigkeit und gesellschaftliche Positionen. Wer hier deutlich ist, baut Vertrauen auf und profitiert nicht nur als Kulturort, sondern auch als Arbeitgeber. Wer sich entscheidet, queere Filmreihen zu organisieren, alternativen Content zu zeigen oder soziale Projekte zu fördern, schärft sein Profil.
Eine klare Haltung unterstützt das Marketing und hilft dabei, …
- …sich als relevanter und zeitgemäßer Kulturort zu positionieren,
- …junge, engagierte Zielgruppen anzusprechen,
- …Vertrauen und Authentizität aufzubauen und
- …das Programmprofil zu schärfen.
Was das konkret heißt, zeigen andere Marken, die sich längst deutlich positionieren.
Kaum eine Marke ist so konsequent politisch wie Ben & Jerry’s und noch dazu in den meisten Kinos vertreten. Ob Rassismus, Klimapolitik oder Menschenrechte: Das Unternehmen nutzt seine Plattform regelmäßig für klare politische Statements.
EDEKA hat in den letzten Jahren immer wieder gesellschaftspolitisch Position bezogen und für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Besonders bekannt sind die Kampagnen „#heimkommen“ und „Wir lieben Vielfalt“.
Wie in der Kampagne „Chosen Families“ oder im Projekt „BornToMix“ zeigt Absolut Vodka seit Jahren, wofür die Marke steht. (Die Kommentarfunktion unter vielen Videos wurde deaktiviert.)
Kommunikation muss zum Kino passen
Manchmal ist es ein queerer Film im Programm. Manchmal ein Post zur anstehenden Wahl. Und manchmal eine Einladung zur Diskussion nach dem Abspann. Haltung im Kino muss kein Banner und kein Shoutout auf Social Media sein und kann deshalb auch ganz leise daherkommen. Oder sehr sichtbar, wenn es passt. Wichtig ist: Sie muss zum Ort und zum Team passen.
Ein Beispiel für den passenden Ort ist die queere Filmreihe MonGay der Yorck Kinogruppe. Am 9. November 1989 feierte im Kino International mit „Coming Out“ der erste schwule Film der DDR seine Weltpremiere und kurz nach Filmende fiel die Mauer. Dieser Geschichte des Hauses zollen die Kinomacher Tribut.
Zur Bundestagswahl 2025 startete das Pollux by Cineplex in Paderborn eine Kampagne mit dem Slogan „Geht wählen. Es ist euer Film.“ Die Aktion sprach sich für Demokratie und Wahlbeteiligung aus, ohne sich parteipolitisch zu positionieren.
Kinos können auch Haltung zeigen, indem sie ihrem Publikum helfen, sich selbst eine Meinung zu bilden. Gut recherchierte Hintergrundinfos vermitteln Relevanz, ohne Meinungen vorzugeben. Wer sich fundiert vorbereiten will, ob für Social Media, Einführungen oder Diskussionen, der findet wertvolle Materialien bei:
Auch Gesten zeigen im Kinoalltag Haltung:
- ein Programm mit mehrsprachigen Flyern
- die Kooperation mit lokalen Gruppen (Aidshilfe, Jugendzentren, Kulturinitiativen)
- der Verzicht auf bestimmte Werbepartner
Und was, wenn es Gegenwind gibt?
Wer sich öffentlich positioniert, muss damit rechnen, dass dies kommentiert wird. Wir haben Tanja Thomas gefragt, wie man souverän reagiert. Tanja hat als PR-Expertin mit einigen Krisen zu tun gehabt und ihre Teams und Kund:innen mit der richtigen Strategie unterstützt. Ihre Erfahrung aus der Film- und Kinobranche beim Concorde Filmverleih und Netflix und die Arbeitsweisen, die Sie bei großen Marken lernen konnte, machen sie zur gelassenen Ratgeberin. Ihre Antwort: Keine Panik. Wie das geht, verrät sie uns in diesem kleinen Leitfaden:
- Erst durchatmen dann gemeinsam entscheiden. Reagiere nicht im Alleingang. Hol dein Team ins Boot. Sprecht gemeinsam darüber, ob und wie ihr reagieren wollt und stellt sicher, dass der Beitrag wirklich eure Haltung widerspiegelt.
- Ein Kommentar ist noch keine Community. Ein paar laute Stimmen sagen noch nichts über eure ganze Zielgruppe aus. Schaut auf die Gesamtstimmung. Wer euch kennt, wird euch einordnen können und manchmal antwortet die Community sogar ganz von selbst.
- Keine Bühne für Unsinn. Hass, Hetze oder persönliche Angriffe? Müssen nicht bleiben. Ihr habt Hausrecht auf euren Kanälen. Löscht, was klar menschenfeindlich oder beleidigend ist. Nicht alles muss kommentiert oder diskutiert werden.
Wer sich traut, inspiriert andere.
Kino kann alles sein: Kulturort, Begegnungsraum, Freizeitvergnügen … und auch eine Bühne für eine starke Haltung. Kinos dürfen diese Vielseitigkeit nutzen und es spricht absolut nichts dagegen, ein unkompliziertes Freizeitvergnügen zu bereiten, Gästen Freude zu schenken und gleichzeitig über Werte zu sprechen. Der Pride Month, Wahlen oder gesellschaftliche Debatten bieten gute Anlässe, um die eigenen Positionen sichtbar zu machen. Wer sich traut, inspiriert andere. Und das ist vielleicht das Beste, was wir erreichen können.
Unsere Haltung: Gute Ideen werden besser, wenn man sie teilt.
Habt ihr in eurem Kino schon Filmreihen zu gesellschaftlichen Themen kuratiert? Ein Diskussionsevent veranstaltet und positive Erfahrungen gesammelt? Dann lasst uns das wissen! Schickt uns eure Ideen, Aktionen oder Erfahrungen an hallo@zurueckinskino.de. Wir teilen die Inspirationen auf unseren Kanälen. Und wir freuen uns auf eure Gastbeiträge!